Geschichte
Die Geschichte der Lungenliga Schaffhausen im Zeitraffer
Um 1900 ist die Tuberkulose (TB) oder „Schwindsucht“ zu einer richtigen Volksseuche geworden. Bei rund der Hälfte aller verstorbenen 15- bis 30-Jährigen lautet die Todesursache -> TB. Vor allem in der Unterschicht ist die Sterblichkeit hoch: Mangelhafte Ernährung, schlechte hygienische Verhältnisse und feuchte, enge Wohnsituationen tragen zur Verbreitung der Krankheit bei.
Volksseuche Schwindsucht: Nothilfe und Fürsorge
1906 nimmt sich der Frauenbund Schaffhausen der bedürftigen TB-Kranken an und gründet 1907 eine Fürsorgestelle, die Vorgängerorganisation der Lungenliga Schaffhausen. TB-Bekämpfung bedeutet in dieser Anfangszeit vor allem Hilfe für die Betroffenen: An die Familien von Erkrankten werden Kleidung, Milch, Ovomaltine und Eier verteilt, sie erhalten Unterstützung bei der Wohnungsmiete – und vor allem müssen die Patientinnen und Patienten unentgeltlich medizinisch beraten und in einem Sanatorium kontrolliert gepflegt werden. Die Kosten dafür sollen von einem Fonds übernommen werden. Ein Spendenaufruf an die Schaffhauser Bevölkerung (1909) zeigt Wirkung und bringt erstaunliche 90'000 Franken ein!
TB-Bekämpfung durch Luft und Sonne
Die Lungensanatorien sind chronisch überbelegt. 1910 stellt das solothurnische Sanatorium Allerheiligenberg für Schaffhauser TB-Patienten 10 bis 12 Betten zur Verfügung, dazu kommen einige Plätze in Wald und Braunwald. Doch die Wartezeiten sind so lang, dass den meisten Erkrankten nicht mehr geholfen werden kann. Ab 1921 dient eine ausgediente Militärbaracke, die am Munotsträsschen aufgebaut wird, als behelfsmässige „Liegehalle“.
Gleichzeitig kaufen die Kantone Schaffhausen und Thurgau das moderne Queen Alexandra Sanatorium in Davos. In der neu gegründeten Höhenklinik sind nun ständig 25 bis 30 Betten für Erkrankte aus Schaffhausen reserviert.
Aber auch die Schaffhauser Liga braucht mehr Platz: 1937 stellt ihr die Stadt das Waldkirchsche Gütli zur Verfügung, eine Liegenschaft mit Haus und angebauter Veranda, ideal für Liegekuren, in einem grossen Garten.
Die Behandlungsmethoden dieser Epoche wirken aus heutiger Sicht recht archaisch. Im Zentrum der Therapie stehen – nach straff geregeltem Stundenplan – die gute Ernährung, Liegekuren auf Sonnenterrassen und Spaziergänge an der frischen Luft. Als chirurgischer Eingriff wird oft die Pneumothorax-Technik eingesetzt: Ein betroffener Lungenflügel wird künstlich zum Kollabieren gebracht, um die stillgelegte Lunge zur Ausheilung der Veränderungen zu veranlassen. Obwohl der TB-Erreger seit 1882 bekannt ist, lässt ein Durchbruch in der Entwicklung eines wirksamen Heilmittels weiterhin auf sich warten.
Wirksame Prophylaxe, neue Behandlungsmethoden
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die TB-Impfung eingeführt, und mit dem Antibiotikum Streptomycin steht erstmals auch ein effizientes Medikament zur Verfügung. Die Röntgendiagnostik wird alltagstauglich. Regelmässige Schirmbildaktionen unter Soldaten, Schulkindern, Arbeitern in der Industrie und Angestellten mit Publikumskontakt ermöglichen die Früherkennung der TB.
1956 erhält die Liga an der Grabenstrasse 7, auf dem Grundstück des Waldkirchschen Gütlis, ihr eigenes Haus mit Röntgenraum, Sprechzimmer, Labor, zwei Wartezimmern und zwei Büroräumen. Tausende von Schaffhauserinnen und Schaffhausern, vom Schulkind bis zum Bankangestellten, werden hier alle drei Jahre „durchleuchtet“. Später ist der Zürcher Schirmbildwagen in der Stadt und den Landgemeinden unterwegs. Dank Fortschritten in Hygiene und Medizin und der unterstützenden Arbeit der Liga gegen Tuberkulose und Lungenkrankheiten geht die TB von den 60er-Jahren an kräftig zurück. Ab 1975 treten neue Angebote und Dienste in den Vordergrund, da andere Lungenkrankheiten wie Asthma, chronische Bronchitis, Lungenemphyseme und Allergien der Atemwege zunehmen.
Neue Aufgaben für die Lungenliga
Ab 1980 gilt die TB als praktisch ausgerottet. Der Schirmbildwagen wird stillgelegt und die Impfungen werden eingestellt. Auch die Sanatorien sind immer schlechter ausgelastet.
2005 wird die Thurgauer/Schaffhauser Höhenklinik endgültig geschlossen.
Doch das medizinische und therapeutische Know-how der Lungenliga Schaffhausen ist weiterhin gefragt: Sie engagiert sich gegen Tabak und Passivrauchen, gegen Asthma und COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit), gegen Schlafapnoe, Cystische Fibrose und andere Atemwegserkrankeungen. Sie vermietet und wartet apparative Atemhilfen für Lungenkranke, bietet Beratung und psychosoziale Begleitung.
1975 schliesst die Lungenliga Schweiz mit dem Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen (heute Santésuisse) einen gesamtschweizerischen Vertrag zur Abrechnung der Apparate-Vermietungen ab, dem auch alle kantonalen Ligen und die kantonalen Krankenkassen beitreten.
Aktuelle Tätigkeitsgebiete
Durch den Zusammenschluss der kantonalen Ligen unter einem gesamtschweizerischen Dach kann die Lungenliga heute stärker und wirksamer auftreten – nicht nur im helfenden Engagement für Atemwegserkrankte, sondern auch in der Prävention und im politischen Lobbying für gesunde Luft.
Medizinische Zeitbomben
Die weltweite Mobilität wirkt sich aus. Vermehrt treten auch bei uns wieder Tuberkulose-Fälle auf. Vor allem in Afrika, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Südamerika und Südostasien ist die TB weit verbreitet und ein grosser Teil der auftretenden Erreger sind resistent gegen die meisten Medikamente. Droht eine Rückkehr auf breiter Front?
Gleichzeitig wird überall mit der Möglichkeit einer Grippe-Pandemie gerechnet. Sobald ein mutierter Virus auftaucht, wird das auch uns betreffen!
In beiden Fällen wird die Lungenliga ihr Wissen und ihre grosse Erfahrung einbringen können - sie wird im Kampf gegen die Ausbreitung dieser ansteckenden Krankheiten eine wichtige Rolle übernehmen.
Leitbild der Lungenliga Schaffhausen
Die Lungenliga Schaffhausen ist eine gemeinnützige Organisation. Sie setzt sich ein für Lungen- und Tuberkulosekranke, für saubere Luft, für Gesundheitsförderung und Vorbeugung von Atemwegserkrankungen.
Die Lungenliga erbringt ihre Leistungen unabhängig von der Religion, der sozialen und materiellen Situation der erkrankten Personen. Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität ihrer Kundinnen und Kunden zu fördern und Sicherheit im Umgang mit Krankheit und Therapie zu vermitteln, gemäss dem Motto Leben heisst atmen.
Ab 1907 bis heute...
In 100 Jahren dreimal in Schaffhausen umgezogen
1909: Büro für Sprechstunden am Münsterplatz 10
1914: Pfrundhausschreiberei am Kirchhofplatz 16
1921 – 1936: Liegehalle am Munotstieg
1937: Fürsorgestelle Waldkirchsches Gütli an der Grabenstrasse
1956: Beratungsstelle Haus an der Grabenstrasse 7 (heutiger Standort)
4 Liga-Ärzte für ein Jahrhundert Lungenliga
1907 – 1935: Dr. med. E. Rippmann, Stein am Rhein
1936 – 1973: Dr. med. F. Ehrat, Schaffhausen
1974 – 1997: Dr. med. P. Schilling, Schaffhausen
1998 – : Dr. med. J. Häggi, Schaffhausen