Grosse und kleine Erfolge
Die Solothurnische Heilstätte
Am 2. Juli 1910 wurde die Solothurnische Heilstätte Allerheiligenberg offiziell eingeweiht. Nur Tage vorher, am 29. Juni, konnte die Frauenliga das fertig erbaute, aber noch leere Sanatorium besichtigen und darin seine Generalversammlung abhalten: «In Gruppen wurden die Besucherinnen durch die Räume geführt;… Alle Teilnehmerinnen waren des Lobes voll über die zweckmässige Anlage, den modern und geschmackvoll ausgestatteten Speisesaal mit der wunderbaren Aussicht in die Alpen, die freundlichen Schlafzimmer; besonders die heimelige Kinderabteilung fand allgemeinen Beifall.» Insgesamt übergab die Frauenliga in den ersten sechs Jahren ihres Bestehens Fr. 29’570.– aus ihrer Zentralkasse dem Baufonds, wobei eine separate «Frauenspende» des Jahres 1910 von Fr. 10’100.– für die «Lingen» und den Bilderschmuck dem Sanatorium als Einweihungsgeschenk extra übergeben wurde. Dass die gesamte Finanzierung dieses Baues nicht so einfach war, kommt immer wieder in Protokollen und Presseberichten zu Tage. Sowohl die Frauenliga und die Gemeinnützige Gesellschaft wie auch einzelne Personen (… und fügen wir es bei, ohne den Zauberstab von Herrn Arthur Bally-Herzog hätte der Bau nicht verwirklicht werden können…) werden – heute würde man sagen als Sponsoren – gelobt.
Erste Streitigkeiten?
Die statutarisch festgelegte Höhe der Abgabe von Sammelgeldern durch Gemeinde- oder Bezirkskomitees an die Zentralkasse (Die Lokal-Komitees haben am Schluss jedes Rechnungsjahres von allen Einnahmen wenigstens ein Drittel – zuhanden des Sanatoriumfonds an die Zentralkassierin abzuliefern) führte recht oft zu Debatten. Wiederholt wird protokollarisch über die «schlechte Zahlungsmoral» der Gemeindekomitees geklagt, die meistens nicht akzeptieren konnten, dass die von ihnen gesammelten Gelder nicht den eigenen Einwohnern zur Verfügung standen: «Die von der Krankheit verschonten Ortschaften möchten ihre Mitgliederbeiträge nicht in den Kassen der von der Lungenschwindsucht heimgesuchten Orte versinken sehen.» Daraus lässt sich erkennen, dass die Tuberkulose nicht regelmässig auf die Ortschaften des Kantons verteilt war.
Erfolgreiche Fürsorge
Mit zunehmend grösserem Geschick widmete sich die Frauenliga vor allem auch der Unterstützung von an TB Erkrankten und deren Familien durch unzählige Einzelhandlungen, Beratungen, Kurbeiträge und Abgabe von zweckmässigem Krankenmaterial, so z.B. Spucknäpfen (zur Vermeidung von Ansteckungen), Abgabe von Betten bei TB-erkrankten Kindern (da mehrere Kinder oft nur ein Bett hatten) und auch von Liegestühlen (die ein «Kuren» zu Hause ermöglichten). Durch Zirkularschreiben und offizielle Eingaben setzte sie sich für prophylaktische Massnahmen in grösserem Stil ein. So 1906 durch ein Schreiben an die Fabriken mit der Bitte um Abgabe von heisser Milch an die Arbeiterschaft und 1912 an den Regierungsrat mit dem Vorschlag, dass gesetzlich zu verlangen sei, dass die jungen Mädchen vor der Heirat eine Prüfung im bürgerlichen Kochen und Haushaltungswesen abzulegen haben. Wiederholt wurde die Problematik des allzu frühen Schulaus- und Fabrikeintritts junger Frauen mit der Forderung nach einem obligatorischen 8. Schuljahr aufgegriffen. 1912 diskutiert die Frauenliga, als erstaunlich fortschrittliche Forderung, die Einführung einer obligatorischen Krankenversicherung für alle.
Andere Begehren stossen heute auf ein eher liebenswürdiges Lächeln, so etwa der Antrag, «die Liga soll bei unseren National- und Ständeräten dahin wirken, dass Massregeln getroffen werden um die Motorwagen und Dampfvelo zu zwingen, ihre nach dem Bundesgesetze von 1904 vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit einzuhalten. Es liegt nämlich eine grosse Gefahr für die Volksgesundheit in dem übermässig schnellen Vorbeisausen dieser modernen Vehikel, die minutenlang dichte Staubwolken nach sich aufwirbeln.» Etwas skurril mutet eine Anregung an, «versuchsweise einigen ärmeren, kinderreichen, arbeitsamen Familien je eine Saanenziege gratis abzugeben…». Das Resultat dieses Versuches wird dann aber nie publik.