Porträts

«Ohne sie wäre ich nicht mehr da»

Erfolgreich im Beruf, verliebt, sportlich und aktiv. Josef Schuler hatte viel Glück im Leben. Die Diagnose COPD war für ihn und seine Frau Germaine Koch ein Schock.

«Früher bin ich mühelos auf den Mythen gestiegen. Diese wunderbaren Momente, wenn über dem Säntis die Sonne aufgeht, ver- gesse ich nie. Heute sind schon 1300 Schritte zum Einkaufen eine Höchstleistung – trotz Sauerstoff», erzählt Josef Schuler (70), Patient der Lungenliga Zentralschweiz. Ohne Sauerstoffgerät keinen Schritt mehr aus dem Haus machen zu können, war für den unternehmungslustigen und kontaktfreudigen Mann einschneidend. 

«Seit Kurzem macht es mir eine Thrombose in den Beinen noch schwerer, mich zu bewegen. Jeder Schritt tut weh. Es ist hart. Aber Jammern bringt nichts.»

Plötzlich ging nichts mehr
Weil die Arbeit Josef Schuler immer Freude gemacht hat, liess er sich auch nach der Pensionierung einen Tag pro Woche anstellen. «In 10-Stunden-Schichten habe ich in der ganzen Schweiz schwere Eimer mit Därmen geliefert. Ein Krampf, aber ein hochinteressanter Job. Ein eigenes Völkchen, diese Metzger», erzählt er lachend. Aber plötzlich fehlte ihm die Kraft. «Mit 65 bin ich wegen einer Lungenentzündung zum ersten Mal beim Pneumologen gelandet. Erst wurde die Diagnose Cystische Fibrose gestellt und ich entsprechend behandelt. Später hat man festgestellt, dass es COPD mit einem Emphysem ist.» Heute beträgt seine Lungenkapazität noch 43 Prozent. «Als Dessert kommt neuerdings Asthma dazu.» Wenn er ruhig sitze, gehe es. Aber wenn er so viel rede wie jetzt, brauche er bald Sauerstoff. Zu erzählen hat Josef Schuler viel.

Die grosse Liebe begann mit einer Eiche
Im Jahr 1994 begleitete Josef seine Kollegen auf ein Feierabendbier in das Camping-Bistro. «Die Dame, die uns bedient hat, machte mir Eindruck.» Aber Germaine Koch hatte gerade andere Sorgen. In der Nacht zuvor war eine Eiche auf einen Wohnwagen gestürzt. Mit Josef war der richtige Mann am richtigen Ort. Der Versicherungsexperte unterstützte Germaine tatkräftig. Ein paar Tage später stand er mit Gipfeli vor ihrer Türe. Es ging nicht lange und er kündigte seinen Job, um mit ihr den Campingplatz zu betreiben.

Seit 30 Jahren sind die beiden ein glückliches Paar. Kurz vor Germaines 70. Geburtstag haben sie geheiratet. «Die Kolleginnen vom Jassclub und vom Turnverein haben gestaunt über die Einladung. Sonst besuchten sie eher Beerdigungen», schmunzelt Germaine. Dass sie zwölf Jahre älter ist als er, ist der attraktiven, zierlichen Frau nicht anzusehen. «Der Altersunterschied war nie ein Thema», sagt er mit bewunderndem Blick. «Der Grösseunterschied aber schon, deswegen konnten wir nicht zusammen Tango tanzen», erwidert sie lächelnd.

Jeden Tag ein Smiley auf dem Rücken
Nachts benötigt Josef Sauerstoff und ein CPAP-Gerät. Letzteres verhindert nächtliche Atempausen. Inzwischen hat sich Germaine an den Lärm der Geräte gewöhnt.

Dies sei allerdings eine Herausforderung gewesen, gibt sie zu. Dank Ohrstöpseln schlafen die beiden gemeinsam im Ehebett – und geniessen dies. Zärtlichkeit ist ihnen beiden sehr wichtig. «Man wird älter und die Medikamente haben auch ihre Wirkung. Aber das Verständnis von Sex ändert sich. Wir haben immer offen über unsere Intimität gesprochen und geniessen sie weiterhin.» So pflegen sie beispielsweise ein rührendes Ritual: Jeden Morgen malt er ihr mit Bodylotion ein Smiley auf den Rücken und cremt sie ein.

Kochen als Ablenkung
Die Tage von Germaine und Josef sind klar strukturiert. Am Morgen schlafen sie aus und frühstücken, bevor sie eine französischsprachige Kochsendung schauen. Danach geht es zum Kaffeetrinken in den nahen Surseepark. Am Nachmittag ist Germaine unterwegs. «Umehüenere», nennt es Josef liebevoll. Sie geht jassen, in den Turnverein oder macht Spaziergänge. «Ich muss raus, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf», sagt sie. Auf dem Camping kam die Welt zu ihr. Nach dem Umzug in die Wohnung musste sie sich ein neues soziales Umfeld aufbauen.

Während Germaine unterwegs ist, geniesst Josef einen gemütlichen Nachmittag. Er ruht sich aus und liest. Vor allem Rezepthefte. Kochen ist Josefs neue Leidenschaft. Eine ausgewogene Ernährung mit frischen Lebensmitteln ist ihm wichtig. «Wenn ich um 18 Uhr nach Hause komme, steht ein feines Essen auf dem Tisch», schwärmt Germaine. Sie kocht selbst auch gerne. Aber weil sie weiss, dass Josef das Kochen so viel Freude macht, überlässt sie es ihm. 

Wertvolle Unterstützung durch die Lungenliga
Die Lungenliga Zentralschweiz hat Josef Schuler durch die Apparate kennengelernt. Inzwischen profitiert er dankbar von weiteren Angeboten. Unter anderem vom Programm «Besser leben mit COPD» und von den Ausflügen. Neu habe er sich angemeldet für den Kurs «Leben und Endlichkeit mit COPD». Er hofft, auch dieses Jahr wieder an den Luftholtagen teilnehmen zu dürfen. «Ich habe mich im Herbst in Spotorno wohl und sicher gefühlt.

Die Organisation, die Fahrt, die Betreuung, der Arzt. Es gibt nichts zu bemängeln.» Nur das Essen sei nicht wirklich italienisch gewesen, schmunzelt er – inzwischen ganz der Gourmet.

Geniessen, was noch geht 
Nach der Übergabe des Campingplatzes hat Josef 80 Prozent gearbeitet, um möglichst viel Zeit mit Germaine zu verbringen. Thailand, Sri Lanka, Afrika: Sie haben viele schöne Reisen unternommen. «Zum Glück! Heute ist dies nicht mehr möglich.» Kürzlich konnten sie endlich wieder einmal in ihr geliebtes Unterwallis fahren. Vorher hat er diese Autofahrt nicht mehr geschafft. Das nächste Ziel ist Môtiers, die Hauptstadt des Absinthes. Josef ist Absinth-Liebhaber. «Ich verstehe nichts von Wein, aber sehr viel von Absinth.» Sich auf ein Ziel zu freuen, gibt ihm Kraft. «Ich habe einen Schwyzer-Kopf. Sie nennen es Wille. Ich sage Stierengrind.»

Dieser Kopf – und vor allem Germaine – helfen Josef, das Beste aus jedem Tag zu machen.

Schon nach wenigen Treppenstufen zu wenig Luft

COPD – abgekürzt vom englischen Chronic Obstructive Pulmonary Disease – ist eine weitverbreitete Lungenkrankheit, die langsam, aber stetig die Atemwege einengt. In schweren Fällen reicht der Aktionsradius der Betroffenen nur noch bis zur Haustüre. Bei fortgeschrittener COPD brauchen die Betroffenen eine dauerhafte Sauerstoff-Heimtherapie. 

COPD ist nicht heilbar. Doch je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto länger können die Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ohne Beschwerden geniessen. 

Die Lungenliga