
Wenn es einen langen Atem braucht
Im Januar 2020 wurde Vesna Lajic zur Vollbremse gezwungen. Im linken Fuss breiteten sich starke Schmerzen aus, er war geschwollen, schliesslich konnte sie nicht mehr laufen. Die Untersuchung zeigte: Sie hatte einen Charcot-Fuss, wahrscheinlich die Folge einer Diabetes, die bei Vesna Lajic vor vielen Jahren diagnostiziert worden war. «Von 200 Prozent auf null», beschreibt die heute 55-Jährige im Beratungszimmer der Lungenliga Aargau im Kantonsspital Baden ihre Situation. 25 Jahre lang war sie Vollzeit berufstätig gewesen, gehörte zum Kader einer Reinigungsfirma und führte 250 Mitarbeitende. Mit der Diagnose wurde sie zu 100 Prozent krankgeschrieben und nach Ablauf der Sperrfrist entlassen. Arbeiten kann sie bis heute nicht.
Während Vesna Lajic von ihrem Leidensweg erzählt, ist ihre Verzweiflung deutlich spürbar. «Ich verlor meine Identität und wurde schwer depressiv.» Die Krankheit bremste sie auch finanziell massiv aus. Da sie sich für ihre Arbeitslosigkeit schämte, suchte sie weder das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) noch das Sozialamt auf, sondern lebte von ihren Ersparnissen. Die IV hat bis heute keinen definitiven Entscheid gefasst. Als wäre alles nicht bereits genug, wurde auch Lajics Beziehung erschüttert.
Tipp einer Bekannten bringt die Wende
Vesna Lajics Augen leuchten auf, als sie von ihrer ersten Begegnung mit Annemarie Ducret, Sozialarbeiterin der Lungenliga Aargau, berichtet. «Zum Glück empfahl mir im April 2022 eine Bekannte, zu Pro Infir- mis zu gehen. Diese ver- wies mich an die Lungenliga Aargau.» Die Lungenliga unterstützt nicht nur Patientinnen und Patienten mit erkrankten Atemorganen, sondern auch mit Erkrankungen von Herz und Kreislauf, der inneren Organe und des Stoffwechsels. «Im ersten Beratungsgespräch spürte ich zum ersten Mal Hoffnung. Frau Ducret schrieb mir nicht vor, was ich alles machen muss, sondern was wir nun gemeinsam angehen würden.» Die Sozialarbeiterin half ihr, sich beim RAV anzumelden. Auch fand sie heraus, dass die Arbeitslosenkasse Lajic eine zu niedrige Pauschale ausbezahlt hatte und forderte erfolgreich die Differenz ein. Gemeinsam machten die Frauen eine Auslegeordnung von Vesna Lajics Wohnsituation, Finanzen, sozialen Beziehungen, beruflichen Massnahmen und dem Prozess mit der Invalidenversicherung. Zudem vermittelte Ducret ihrer Klientin einen Psychiater, der sie immer wieder auffangen kann.
Wieder mit Hoffnung auf dem Weg
Ob sich Vesna Lajics grösster Wunsch, eine Teilrente der IV und eine angepasste Teilzeitarbeit zu finden, erfüllen wird, ist noch offen. Aktuell befähigt und ermutigt Ducret ihre Klientin bei einem nächsten Schritt: sich einem Hobby zu widmen, das ihr wieder eine Perspektive gibt. Das Ziel ist eine längerfristig eigenständige Existenz. Vesna Lajic glaubt inzwischen wieder daran, dass sie es schaffen kann