Porträts

Das Wandern lässt die Menschen zusammenrücken

Vier Wochen lang wanderte Claudio Menghi, Patient der Lungenliga Waadt, auf dem Jakobsweg. Immer mit dabei: sein CPAP-Gerät, das seine Atemwege in der Nacht offenhält.

«Der Anfang war schwierig. Als ich nach drei Tagen die Stadt Genf erreichte, hatte ich Blasen an den Füssen und Rückenschmerzen – und ich fragte mich einen kurzen Moment, ob ich mir das wirklich antun will», sagt Claudio Menghi und nimmt einen Schluck Cappuccino. Im Frühling 2022 ist der Patient der Lungenliga Waadt zu seinem grossen Abenteuer aufgebrochen: Einen Monat lang war er auf dem Jakobsweg unterwegs – von seinem Wohnort Blonay aus nach Lutry, dann dem Genfersee entlang bis nach Le Puy-en-Velay im Herzen Frankreichs. Ein Tag Pause und viel Blasensalbe hätten ihm über sein Tief in Genf hinweggeholfen. «Von da an ging es jeden Tag besser. Meine Füsse wurden widerstandsfähiger, mein Rücken gewöhnte sich an das Gewicht. Am Schluss spürte ich meinen Rucksack kaum mehr.» Zehn Kilogramm schwer sei dieser gewesen. Ein halbes Kilo davon: sein CPAP-Gerät.

Lautes Schnarchen und Müdigkeit

Im Jahr 2009 habe er bemerkt, dass er immer schlechter geschlafen habe, sagt Claudio Menghi. «Ich kriegte keine Luft. Es fühlte sich an, als ob mir jemand den Mund zuhält.» Auffällig sei auch sein Schnarchen gewesen. «Das war so laut, dass man es im Zimmer nebenan noch hörte.» Eine Abklärung im Waadtländer Universitätsspital (Centre hospitalier universitaire vaudois, CHUV) ergab, dass er an obstruktiver Schlafapnoe leidet (siehe Kasten). Die wirksamste Behandlung der Atem- aussetzer im Schlaf ist die sogenannte CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure): In der Nacht leitet ein Gerät über eine Nasenmaske einen sanften Luftstrom in die Atemwege und hält sie dadurch offen.

 

Lungenliga half bei der Wahl von Gerät und Maske

Seine Pneumologin und die Beraterin der Lungenliga Waadt, bei welcher Claudio Menghi Patient ist, hätten ihn sehr kompetent betreut und bei der Wahl von Gerät und Maske sehr gut beraten, betont Claudio Menghi. Er habe verschiedene Modelle getestet. «Die jetzige Kombination von Maschine und Maske passt wunderbar. Ich würde mein CPAP-Gerät nicht mehr hergeben – es hat mein Leben verändert. Und sogar meine Frau mag die Maschine: Sie hat nun Ruhe in der Nacht», sagt Claudio Menghi mit einem Augenzwinkern. Er selbst könne sich dank der CPAP-Therapie wieder besser konzentrieren, habe ein stärkeres Gedächtnis und sei weniger müde.

 

Jakobsweg veränderte Prioritäten

Ohne diese zusätzliche Energie wäre es schwierig geworden auf dem Jakobsweg. Pro Tag wanderte er durchschnittlich 25 Kilometer. Noch eindrücklicher als die körperlichen Veränderungen findet er, was das Wandern mit seiner Psyche gemacht habe. «Als ich gestartet bin, hatte ich den Kopf bis obenhin voll.» Nach und nach hätten sich seine Prioritäten verschoben. «Manche Sorgen wurden völlig unwichtig. Dafür kamen neue Themen auf, über die ich mir Gedanken machte», sagt Claudio Menghi und blickt auf seinen mittlerweile kalt gewordenen Cappuccino. «Ich habe gelernt, mich selbst besser zu verstehen.»

Wandern schaffte Nähe

Claudio Menghi war jedoch nicht immer allein unterwegs. Er habe viele unterschiedliche Menschen getroffen; von jung bis alt, aus verschiedenen Ländern und mit vielfältigen Beweggründen für ihre Reise auf dem Jakobsweg. Mit seiner offenen Art und seinem sympathischen Lachen ist Claudio Menghi einer, der schnell mit anderen in Kontakt kommt. Geboren wurde er in Argentinien und wanderte mit seiner Familie zunächst nach Kanada und später nach Sydney aus. Seit dem Jahr 2000 lebt er in der Schweiz. «Ich war immer und überall ein Migrant.» Dennoch habe er nie Mühe gehabt, Anschluss zu finden. Über seine Familie oder seine Interessen habe er immer wieder neue Freundschaften schliessen können. Auf dem Jakobsweg habe er aber eine neue Erfahrung gemacht. «Das gemeinsame Wandern lässt die Menschen auf eine besondere Art zusammenrücken. Mit manchen neuen Bekanntschaften habe ich über Themen diskutiert, die ich sonst nur mit meiner Frau oder meinem engsten Freund besprechen würde.»

Mehr fragen, weniger urteilen

Was seine Schlafapnoe betreffe, sei er hingegen schon immer sehr offen gewesen. Einige Menschen, denen er begegnet sei, hätten noch nie von der CPAP-Therapie gehört. «Manche sind richtig darüber erschrocken, dass ich zum Schlafen eine Maschine benötige.» Da habe er kurzerhand sein Gerät hervorgenommen und alles erklärt: «Die Schlafapnoe, das Gerät und dass ich nachts eine Maske trage, so wie andere tagsüber eine Brille auf der Nase haben. Für mich ist das normal und ich gebe gerne Auskunft, wenn ich damit Ängste abbauen kann.» Ohnehin findet Claudio Menghi, dass man öfter Fragen stellen müsste. Kleine Kinder fragten nach, wenn sie etwas wissen möchten. Erwachsene hätten dies oft verlernt. «Das ist schade. Denn wir könnten Vorurteile, Missverständnisse und Ängste reduzieren, wenn wir mehr fragen würden.»

Schlafapnoe: Atemaussetzer führen zu Tagesmüdigkeit

Bei der obstruktiven Schlafapnoe verschliessen sich die Atemwege in der Nacht zeitweise. Diese Atemaussetzer können pro Nacht bis zu mehrere Hundert Mal auftreten. Auf den Sauerstoffmangel, der durch diese Atempausen entsteht, reagiert das Gehirn mit einer Weckreaktion. Zwar nehmen die Betroffenen das kurze Aufwachen meist nicht bewusst wahr, die Folgen spüren sie jedoch tagsüber: Sie leiden oftmals unter starker Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Längerfristig kann eine unbehandelte Schlafapnoe auch zu Stoffwechselstörungen führen und das Herz-Kreislauf-System belasten. Die grössten Risikofaktoren für eine Erkrankung sind Übergewicht, eine entsprechende anatomische Veranlagung und Alkoholkonsum am Abend.

Die Lungenliga

• informiert zu Schlafapnoe: www.lungenliga.ch/schlafapnoe
• bietet online einen Schlafapnoe Risikotest an: www.lungenliga.ch/schlafapnoe-test
• berät und unterstützt bei der Auswahl und der Anpassung von Gerät und Maske
• stellt die Geräte zur Verfügung und hilft, die Therapie in den Alltag zu integrieren
• organisiert ein vielfältiges Kursangebot: www.lungenliga.ch/kurse

Tipps zum Reisen mit CPAP und Sauerstoff

Chronische Atemwegserkrankungen sind kein Grund, um auf längere Reisen zu verzichten. Wichtig ist aber eine gute Vorbereitung.
Finden Sie weitere Informationen und Checklisten auf unserer Website: www.lungenliga.ch/reisen