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Wunderwerk Atmung

Warum hat Atemnot nicht zwingend etwas mit der Lunge zu tun? Und wie beeinflussen sich Stress und Atmung? Ein Experte gibt Antworten.

Über 20 000-mal atmen wir pro Tag ein und aus. Einer, der sich damit auskennt, ist Joachim Schmidt, Leiter der respiratorischen Physiotherapie am Inselspital Bern.

Joachim Schmidt, können wir falsch atmen?

Eigentlich atmet unser Körper automatisch richtig. Er passt den Atemrhythmus unserem Bedarf an Sauerstoff an und hält dabei die Atemarbeit so gering wie möglich. Manchmal gewöhnen wir uns aber unbewusst eine falsche Atmung an.

Wie sieht diese aus?

Manche Menschen atmen auch in Ruhe durch den Mund. Dies ist schade, weil dann die Nase nicht rückbefeuchtet wird, austrocknet und gerade im Winter anfälliger ist für Infekte. Andere ziehen den Bauch ein beim tiefen Einatmen.   
Und ich treffe immer wieder auf Personen, die sich angewöhnt haben, zu schnell zu atmen.

Warum gewöhnt sich jemand so etwas an?

Unsere Atmung wird hauptsächlich durch den Gehalt an Kohlendioxid, also CO2, im Blut gesteuert. Ist dieser zu hoch,   
gibt das Atemzentrum im Gehirn die Anweisung, schneller zu atmen, um den CO2-Gehalt zu senken. Auch bei Stress erhöht sich unsere Atemfrequenz automatisch. Sind wir nun häufig gestresst, atmen wir viel Kohlendioxid ab, und unsere Sensoren im Gehirn gewöhnen sich an ein tieferes CO2-Level. Dementsprechend gibt das Gehirn schneller den Impuls, die Atemfrequenz zu erhöhen. Neben Stress können auch verschiedene Erkrankungen zu einer unökonomischen Atmung führen.

Lungenerkrankungen?

Ja, aber nicht nur. Ist die Lunge beschädigt, geben die Lungenbläschen weniger Sauerstoff ans Blut ab und das Kohlendioxid steigt an. Jedoch können auch Herzerkrankungen und Gefässanomalien zu Atemnot führen.

Warum?

Die Lungenbläschen sind von feinen Blutgefässen, den Kapillaren, umgeben. Von dort aus transportiert das Hämoglobin im Blut den Sauerstoff bis zu den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, welche den Sauerstoff verarbeiten. Gibt es auf diesem Weg eine Störung oder pumpt das Herz zu wenig Blut in den Körperkreislauf, steigt der CO2-Gehalt an und das Gehirn signalisiert Atemnot.

Lässt sich etwas dagegen tun?

Neben der Behandlung der Krankheit ist eine Atemtherapie sinnvoll. Bei Lungenerkrankungen hilft diese, Komplikationen vorzubeugen, indem die Belüftung der Lunge verbessert wird und sich Viren und Bakterien weniger gut einnisten können.

Beeinflusst die Atmung auch die Psyche?

Ja, Atmung und Psyche stehen in einer Wechselwirkung. Sind wir entspannt, atmen wir ruhig. Umgekehrt hilft ruhiges Atmen, uns auch in stressigen Situationen zu entspannen, sowohl körperlich als auch psychisch. Üben wir diese bewusste Atmung im Alltag, können wir das Einschlafen erleichtern, Ängste reduzieren und sogar Schmerzen lindern.

Wie funktioniert die Atmung?