«Wir fühlten uns stets verstanden und getragen»

«Ich nehme für Sie an diesem Interview teil», sagt Lina Dürr (84) zu Beginn des Gesprächs zu Lara*, der Mitarbeiterin der Lungenliga. Denn ihre schöne Beziehung sei von Sympathie und Vertrauen geprägt. Lina Dürrs Zwillingsschwester Magdalena, Patientin der Lungenliga Ost, leidet an Schlafapnoe (OSAS)1 und einem Adipositas-/Hypoventilations-Syndrom (OHS)2. Seit einer Knieoperation ist sie gehbehindert und von der Unterstützung ihrer Schwester und der Spitex abhängig. Lina hilft ihr auch dabei, den Sauerstoffapparat zu bedienen.
Kein Schock
Weil Magdalena Dürr vierzig Jahre als Pflegefachfrau am Universitätsspital Zürich gearbeitet hatte, war die Diagnose für sie kein Schock. Sie machte sich nur Sorgen, wie die Therapie funktionieren würde. Ihre Bedenken hat sie schnell abgebaut: «Dass die Beratung auf hohem fachlichem Niveau verlaufen wird, haben wir erwartet. Was uns aber überraschte, war das enorm menschliche, von gegenseitiger Wertschätzung und Sympathie getragene Arbeitsklima der Lungenliga. Wir fühlten uns stets verstanden und getragen.»
Um 05.20 Uhr klingelt der Wecker
Linas Tage sind klar strukturiert. Sie steht um zwanzig nach fünf auf, richtet das Frühstück und macht ihr Turnprogramm. Um sieben entfernt sie ihrer Schwester die Atemmaske sowie den Urinbeutel und begleitet sie ins Bad, bevor beide das Frühstück geniessen. Um halb acht kommt die Spitex, um Magdalena zu pflegen und anzukleiden. Danach geht Lina eineinhalb Stunden spazieren, was sie oft mit einem Einkauf verbindet. Wenn sie nach Hause kommt, steht ein feines Mittagessen auf dem Tisch. Magdalena kocht und backt gern, das geht auch im Rollstuhl. Nachmittags sitzen sie im Garten oder empfangen Besuch. Oft stehen Arzttermine an. Manchmal fährt Lina jeden Tag entweder die Schwester oder den Bruder mit dem Auto zu einer Therapie oder Kontrolle. Nach dem abendlichen Besuch der Spitex bringt sie Magdalena um halb zehn ins Bett und setzt ihr die Atemmaske auf.
Familie, Freundschaft, Psychologie und Glaube
Woher nimmt Lina die Kraft für diese intensiven Tage? «Als ehemalige Kindergärtnerin, Heilpädagogin und Lehrberaterin habe ich psychologische Ausbildungen bei der Internationalen Akademie für Humanwissenschaften und Kultur in Walenstadt gemacht, die mir in allen Lebenssituationen helfen», sagt sie. Energie gebe ihr auch die grosse Familie sowie schöne Freundschaften und ihr Glaube als Bahai. «Mir kommt es manchmal vor, als wäre es immer so gewesen. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Ich bin dankbar, dass ich noch für meine Schwester da sein kann.»
Foto: Die Mitarbeiterin der Lungenliga Ost erklärt Lina Dürr das Beatmungsgerät ihrer Schwester.
Angehörige aktiv einbeziehen
Wie erlebt Lara die Zusammenarbeit mit den Angehörigen? «Sehr unterschiedlich! Viele Angehörige begleiten ihre Liebsten mit grosser Hingabe. Andere haben Angst, etwas falsch zu machen, und scheinen von der Situation überfordert. Was mich berührt, ist die tiefe Verbundenheit, welche die Angehörigen zeigen. Sie geben oft alles, auch wenn sie dabei an ihre Grenzen kommen.» In der Beratung wolle sie zuerst die Meinung der Patientin oder des Patienten hören und deren Anliegen verstehen. Umso spannender sei es, danach die Sicht der Angehörigen zu erfahren. «Ich beziehe sie aktiv mit ein und schule sie gezielt, damit sie die Krankheit besser verstehen und wissen, wie sie in bestimmten Situationen handeln können. Der Patient oder die Patientin, die Angehörigen und ich als Fachperson: Wir sind ein Team.»
Bedürfnisse klar ansprechen
«Mir ist nicht immer klar, ob die Angehörigen weitere Unterstützung benötigen», erzählt Lara. «Sie sind häufig mit so vielen Dingen beschäftigt, der Termin bei uns ist nur einer von vielen. Deshalb ermutige ich sie, ihre Bedürfnisse offen mitzuteilen. Seien es praktische Tipps, technische Unterstützung oder einfach ein offenes Ohr: Unser Ziel ist es, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen, damit niemand allein kämpfen muss.»
*Name geändert
1,2) Das OSAS (Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom) und das Obesitas-Hypoventilationssyndrom (OHS) sind beide schlafbezogene Atmungsstörungen, die häufig im Zusammenhang mit Adipositas auftreten. Obesitas-Hypoventilationssyndrom OHS | ResMed Schweiz |